Die Flussperlmuschel im 21. Jahrhundert

Die Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera ist eine mehr als 60 Millionen Jahre alte Tierart, die vor zweihundert Jahren noch nahezu alle kalkarmen Bäche Mitteleuropas besiedelt hat. Heute gibt es nur noch wenige Bäche, in denen die Flussperlmuschel vorkommt. Und auch dort kämpft die Großmuschel mittlerweile um ihr Überleben. Eine Tierart, die das Aussterben der Dinosaurier überlebt hat, die bei der Entwicklung des Homo rudolfensis über den Homo erectus bis hin zum Homo sapiens dabei gewesen ist, droht nun an der „Zivilisation“ zu scheitern. Gerade die „Krone der Schöpfung“ – wir Menschen – droht diese, wie auch viele andere Tier- und Pflanzenarten durch nachhaltige, negative Veränderung des Lebensraumes zum Aussterben zu zwingen.

Die Flussperlmuschel ist heutzutage vom Aussterben bedroht und streng geschützt. Die seit Anfang der Industrialisierung stattgefundenen Veränderungen der Fließgewässer (Aufstau, Kanalisierung, Uferverbau) und der Eintrag von Schadstoffen in die Fließgewässer (z.B. Abwasser, Düngemittel, feines Sediment, Streusalz) haben zu Ende des 20. Jahrhunderts zu drastischen Einbrüchen der Bestände geführt.

Besonders der Eintrag von feinkörnigen Sedimenten (Ton, Schluff, Feinsand) in die Fließgewässer gefährdet die Muschelbestände. Das Feinsediment lagert sich auf und in der Gewässersohle ab. Durch die Verstopfung der Poren im Gewässergrund (Kieslückensystem) erreicht kein sauerstoffreiches Bachwasser mehr die Jungmuscheln, die ihre ersten Jahre im Kieslückensystem verbringen. Als Folge ersticken oder verhungern die Jungmuscheln. Heutzutage befinden sich in den Bächen vor allem überalterte Bestände mit älteren Flussperlmuscheln (> 50 Jahre), während jüngere Muscheln (< 25 Jahre) in den meisten Kolonien fehlen.

Auch der Rückgang der Bachforellenbestände (Wirtsfisch), die Versauerung der Gewässer und ein Anstieg der Wassertemperatur in heißen Sommern bereiten den Flussperlmuscheln zum Teil erhebliche Probleme. Das Austrocknen der Fließgewässer in extrem heißen Sommern wie in den Jahren 2018 und 2019 ist sogar existenzbedrohend für die Bestände.

Hoffnungsvoll stimmt aber eine Entwicklung der letzten Jahre, die mehr und mehr den Wert der Vielfalt aller Lebewesen auf unserem Planeten erkennt und versucht, den negativen Trend zu stoppen. „Wiedergutmachung an der Natur“ – unter diesen Slogan könnte man die zahlreichen Bemühungen stellen, die im Kleinen – wie die Aufzucht von jungen Flussperlmuscheln in der Huschermühle zur Erhaltung dieser Art im Bereich des Dreiländerecks Sachsen-Bayern-Tschechien – aber auch im Großen – z.B. Einführung einer CO2 Steuer zur Stabilisierung des Weltklimas – einen neuen Umgang des Menschen mit seinen Mitgeschöpfen erkennen lässt. Es gibt also berechtigte Hoffnung für den Erhalt der Flussperlmuschel in unserer Heimat.